Am 8. Dezember 2020 hat Apple ohne große Zeremonien die ersten, unter der eigenen Marke entwickelten, Over-Ear Kopfhörer auf den Markt gebracht – die Apple AirPods Max. Hier unser Testbericht.
Sie treten an, komplexe Technologien wie Geräuschunterdrückung, 3D Audio, adaptiver Equalizer, Hi-Fi und Bluetooth so zugänglich wie nur irgend möglich umzusetzen. Das und ein zu diesem Anspruch passendes schnörkellose Design macht sie, trotz des hohen Preises, begehrenswert und sie waren direkt ausverkauft. Wer nicht sofort bestellt hat, musste bis jetzt, also März 2021 auf sein Paar warten – so ging es auch mir mit dem Testmuster. Außerdem konntest Du bis Ende 2020 noch die MWSt. sparen, wodurch der Preis von anfangs 599 € nun auf krumme 612,70 € angestiegen ist. Ich würde es nicht erwarten, aber vielleicht nimmt Apple im eigenen Store noch im Laufe des Jahres eine Korrektur vor, da ich denke das 599 € schon auch der angepeilte EVP war.
Zumindest im freien Handel sind sie ab 580 € bestellbar, aber ohne Angabe von Lieferzeiten. Bei Apple selbst musst Du derzeit ca. 7 Wochen auf Dein Paar AirPods Max warten. Es ist der erste Kopfhörer, den Apple unter der eigenen Marke veröffentlicht und nicht als Beats-Produkt.
Der Klang
Dank Computational Audio werden den AirPods Max ein paar Tricks ermöglicht, die zwar nicht einzigartig sind, die aber durch ihre tiefe Integration in iOS superleicht zu nutzen sind. Diese wirken sich direkt auf den Klang aus. Das für mich größte Feature hierbei ist der adaptive Equalizer, der sich aus zwei Teilen zusammensetzt. Einerseits messen Sensoren und Mikrofone kontinuierlich den Sitz der AirPods Max – wobei auch die Bügel von Brillen, Frisuren und Piercings berücksichtigt werden – und die Signalprozessoren passen die hohen und niedrigen Frequenzen dementsprechend an, um ein verzerrungsfreies Klangbild abzuliefern.
Andererseits lässt sich wieder in den Bedienungshilfen ein Audiogramm erstellen und/oder nutzen, dass die tatsächliche Hörfähigkeit des Nutzers in die Signalberechnungen einfließen lässt und so die Frequenzen verstärkt, die der Hörer weniger gut wahrnimmt. Dieses Feature kam mit den AirPods Pro zu iOS und lässt sich natürlich auch mit den True Wireless Ohrhörern von Apple nutzen.
Da für mich zum Klang auch die Unterdrückung von störenden Geräuschquellen gehört, kommt hier auch die aktive Geräuschunterdrückung (Active Noise Cancellation, ANC) der AirPods Max zum Tragen. Acht der neun integrierten Mikrofone nehmen kontinuierlich die Umgebung und das Innere der Muscheln auf und löschen so unschöne Frequenzen aus. Die AirPods Max sind hier sehr gut für Leute mit etwas größeren Ohren geeignet, die mit kleineren Muscheln anderer Hersteller evtl. Probleme haben bzw. die evtl. nicht gut abschließen. ANC ist bei den AirPods Max entweder an oder aus oder im Transparenzmodus. Dabei werden Stimmen verstärkt und andere Geräusche ausgeblendet. Beide Funktionen werden durch Apples H1 Chip ermöglicht, von dem je einer in beiden Hörern sitzt.
Für Telefonate sind drei der neun Mikrofone vorgesehen und der Klang ist okay. Für längere Konferenzschaltungen oder sogar für Aufnahmen würde ich sie nicht verwenden und auf ein externes Mikrofon setzen, bzw. auf Kopfhörer, die ein separates Richtmikrofon haben, wie die Jabra Evolve2 85. Als Monitor am Mac oder im Flugzeug kann man sie z.B. aber auch kabelgebunden einsetzen, wenn man nochmal knapp 40 € für das Lightning auf 3,5 mm Audiokabel hinlegt.
Bedienung & Ausstattung
Was wirklich hervorsticht ist die extrem einfache Bedienung der AirPods Max. Sie ist nicht nur einfach, weil es wenig einzustellen gibt, sondern weil die Kontrollen an den Kopfhörern taktil sind. Das bedeutet, sie sind blind zu ertasten und nutzbar, ohne wilde Touchmanöver erlernen zu müssen und ohne ungewollte Eingaben zu machen. Wo die meisten anderen Hersteller auf eine große Touch-Fläche setzen, kommt bei Apple erneut die Digital Crown zum Einsatz, die man von der Apple Watch kennt.
In einer etwas größeren Bauform, dreht man an ihr die Lautstärke auf und ab und per Knopfdruck startet und pausiert seine Musik, oder nimmt damit Anrufe an. Siri kann man durch einen langen Druck herbeizitieren und durch mehrfachen Druck in den Titeln springen. Natürlich kann man sämtliche Einstellungen auch am verbundenen iOS-Gerät wie z.B. einem iPhone (siehe Video unten) im Kontrollzentrum vornehmen.
Die Verbindung zwischen iPhone und AirPods Max passiert wie immer automagisch über NFC – man braucht sie nur in der Nähe eine iOS-Gerätes aus dem Smart Case nehmen und sie werden sofort erkannt. Mit seinen 20 Stunden Laufzeit ist der Akku völlig in Ordnung. Wenn man die ANC und 3D Audio ausschaltet, kann man hier noch Boden gut machen. Mit lediglich 5 Minuten am Strom, gewinnt man schon 1,5 Stunden Hörzeit. Das Lightning-auf-USB-Kabel liegt bei, ein Netzteil, ein AUX-Kabel und einen Flugzeugadapter muss man sich bei Bedarf separat holen.
Raumklang
Virtueller Surround Sound ist keine Neuerfindung, hier gab es über die Jahre hinweg immer wieder Bestrebungen, ein Kinofeeling mit 5+X Lautsprechern psychoakustisch mit weniger Kanälen abzubilden. Bei Kopfhörern sind es i.d.R. zwei. In den letzten zwei Jahren gab es insbesondere seitens Sony (mit 360 Reality Audio im Musikbereich und 3D Audio bei der PS5) und Apple wieder größere Anstrengungen in dem Bereich und Apples Geschmacksrichtung heißt auch einfach 3D Audio.
Die Besonderheit diesmal: Dieses objektbasierte Audio “weiß” wo sich Soundquellen im Verhältnis zur Kopfposition des Hörenden befinden und so kann man zur Quelle hin (z.B. einem iPad) seinen Kopf drehen und diese Soundquellen bleiben aber an ihrem Platz. Sagen wir, in einem Video, dass wir schauen, ist direkt im Bild “vor uns” ein Wasserfall. Drehen wir jetzt unseren Kopf nach links oder rechts, bleibt die Geräuschkulisse des Wasserfalls in Richtung des Bildes “stehen”. Würde sich jetzt das Bild mitdrehen, könnte man quasi in Richtung eines Geräusches schauen – so funktionieren VR-Headsets. 3D Audio von Apple ermöglich also eine Art ½ VR, weil eben nur das Audiosignal virtuell abgebildet wird, nicht jedoch das Videobild. Ermöglicht wird das durch die Positionssensoren (Gyro + Beschleunigung in den Kopfhörern und dem jeweiligen iOS-Gerät).
3D Audio ist derzeit mit Apple TV+, Disney+ und Amazon Prime Video möglich. Kurz: Solange die App Dolby 5.1, Dolby 7.1 oder Dolby Atmos unterstützt, wird sie auch mit 3D Audio funktionieren. Netflix arbeitet angeblich seit Dezember 2020 an dem Feature. Ob Du gerade unterstützte Inhalte konsumierst, siehst Du an der Lautstärkeeinstellung im Kontrollzentrum: Bewegen sich die Tonwellen im Symbol für 3D Audio (siehe Bild unten), hörst Du gerade einen Inhalt mit 3D Audio.
Man kann in Verbindung mit einem iOS-Gerät natürlich auch alles komplett auf dem Gerät regeln. Audio wird automatisch pausiert, wenn man die Kopfhörer abnimmt und abgeschaltet werden sie durch die Magneten im Smart Case. In Verbindung mit anderen Bluetooth-Quellen verlieren die AirPods Max ihre Equalizer- und räumlichen Audiofeatures. Da sie dann nicht mehr Apples proprietäre Protokolle mit dem Endgerät sprechen können, sondern auf die Bluetooth-Version mit Standardprotokollen zurückfallen müssen, die das jeweilige Produkt unterstützt, kann auch der Klang und die Reichweite leiden. Leider gibt es auch noch keinen aktualisierten Apple TV, der die Features unterstützt. So ist man derzeit gezwungen, Filme und Serien, die 3D Audio unterstützen, auf dem iPad oder iPhone zu schauen. Wie alle Apple-Zubehörprodukte funktionieren auch die AirPods Max am Besten im eigenen Ökosystem.
Der Preis
Hoch umstritten ist der Preis, den Apple für seine AirPods Max aufruft und auch ich war schnell dabei “Faul” zu rufen – schließlich bewegen sich die üblichen Verdächtigen auf dem Markt der Over-Ear-Kopfhörer mit Noise Cancellation, je nach Alter und Generation, zwischen 250 und 350 €. Was schon auch für die meisten Menschen ein hoher Preis für Kopfhörer ist, die hauptsächlich für Reisen und Pendeln oder offene Büroräume genutzt werden. In den eigenen vier Wänden – ich schließe hier absolut von mir auf andere – besteht eher nicht die Notwendigkeit für große Kopfhörer & ANC und viele kommen super mit ihren AirPods, AirPods Pro oder anderen True-Wireless-Kopfhörern aus dieser Klasse klar, die alle deutlich günstiger zu haben sind.
Orientiert man sich nur am Preis, verlassen die meisten Hersteller von Consumer-Produkten die Bildfläche und eigentlich bleiben nur beyerdynamic und Bang & Olufsen übrig, die mit den Amiron Wireless (ca. 550 €) bzw. den Beoplay H95 (ca. 780 €) hier mitspielen und ich denke auch, mit diesen Produkten möchte Apple, wenn überhaupt verglichen werden. Die AirPods Max sind ein Luxusgut – die Wahl zum deutlich schwereren Aluminium als Gehäusematerial ist hier der erste Hinweis und der Verzicht auf ein Logo oder einen Schriftzug der Nächste. Natürlich geht Apple davon aus, dass das Design allein sie sofort als AirPods Max erkennbar macht und das ist auch nicht weit von der Wahrheit. Natürlich liegen die Zielgruppen von den AirPods Max und Kopfhörern wie den Amiron Wireless trotzdem weit auseinander, da sie sich deutlich im Aussehen unterscheiden und damit allein für ganz andere Geschmäcker entworfen sind. Der Vergleich funktioniert also nur auf technischer Ebene.
Während bei den herkömmlichen Over-Ears derzeit Bose mit etwas unter 250 g mit seinen Headphones 700 das Leichtigkeits-Rennen macht, liegen die AirPods Max mit ihren 358 g – wenig überraschend – zwischen den Beoplay H95 (323 g) und Amiron Wireless (380 g). Für lange Hörperioden sind sie also leider eher nicht geeignet. Die Hoffnung, die Konstruktion des Edelstahl-Kopfbügels mit seiner Netzbespannung würde dafür sorgen, dass sie sich weit weniger schwer anfühlen, als sie tatsächlich sind, muss ich hier zerstreuen.
Man merkt, was man da auf dem Kopf hat. Leider ist es auch so, dass sie im Liegen durch ihr Gewicht deutlich verrutschen, bzw. den drang haben nach unten zu ziehen, was jetzt nicht so mega angenehm ist.
Fazit
Verarbeitungs- und Soundqualität überzeugen auf ganzer Linie. Die Spezialfeatures der AirPods Max in Kombination mit iOS 14 sind technisch erstklassig und von der Bedienbarkeit sind sie trotzdem gewohnt zugänglich. Der “Pro-Sument” in mir vermisst eine komplett manuelle Einstellbarkeit eines systemweiten Equalizers, wie ihn viele andere Hersteller in ihren Apps bieten. So kann man höchstens in den Einstellungen von Apple Music zwischen Presets für Musikrichtungen wählen und in den Einstellungen der Kopfhörer (in den Bedienungshilfen) nur zwischen dem Audiogramm und drei Presets. Bleibt man auf seiner Apple-Insel ist alles in bester Ordnung und die AirPods Max können mit ihrer hochpreisigen Konkurrenz mithalten. Außerhalb davon wird der Preis schnell untragbar. Da alle anderen Over-Ear-Kopfhörer auch nicht schlecht klingen, gutes bis erstklassiges ANC bieten und mit ähnlichen Features leichter und universell einsetzbar sind, wird die Liste der Argumente für die AirPods Max hier knapp.
So eindrucksvoll 3D Audio auch ist, allein wird es der Masse der Menschen nicht als Kaufargument reichen. Aber natürlich muss es das auch nicht. Apple stellt gerade so viel davon her, wie über den virtuellen Ladentisch gehen. Mir persönlich sind sie zu schwer für einen Dauerbetrieb bzw. für entspanntes Hören in der Waagerechten. Die Ohrmuscheln ziehen zu stark nach unten, was der Bügel nicht genug abfängt. Was sich Apple bei dem “Smart Case” gedacht hat, steht noch mal auf einem anderen Blatt.
Es ist ja ganz nett, mit integrierten Magneten eine gewisse Funktionalität an das Smart Case zu koppeln, aber seiner Hauptfunktion als Case wird es nur minimal gerecht. Schließlich gucken überall Teile der Apple AirPods Max aus dem Case heraus. Leider fehlt ihnen auch ein Freiheitsgrad, um noch eine Spur weiter zusammenzuklappen. So sieht das i.d.R. bei den anderen aus, wodurch die auch gut in ihre Cases passen:
Der Drittherstellermarkt war aber natürlich nicht untätig und es gibt inzwischen Hüllen für die Alu-Ohrmuscheln(!) aber auch sinnvolle Hardcases für den Transport, wie man sie von anderen Kopfhörern her kennt. Wer die Ohrmuscheln seiner Apple AirPods Max farblich mit den Kopfhörern mischen möchte, oder einfach Ersatz braucht, kann sich für 79 € je ein Paar bei Apple eindecken.
weiterführender Link: Apple-Produktseite
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