Eine Woche hatte ich Gelegenheit das Elektroauto BMW i3 zu testen. Sieben Tage, in denen ich viel über E-Mobility gelernt habe und viele Vorurteile abbauen konnte. Heute gibt es einen Erfahrungsbericht zu den ersten Kilometern mit dem Stromer.
Ein Elektroauto? Das taugt doch nur etwas, wenn man in der Stadt lebt und ab und an ein paar Kilometer zum einkaufen fahren möchte. Ohnehin sind die Akkus noch nicht ausgereift und die Fahrzeuge viel zu teuer. Und dann komme ich mit einer Ladung nur 150 Kilometer weit. Kannste vergessen!
Das waren jetzt mal nur einige der klassischen Vorurteile gegen Elektromobilität. Vorurteile, die auch ich früher hatte. Dazu muss man wissen, dass ich auf dem Land groß geworden bin. Dort hatte man mit 18 entweder ein Auto – oder ein Problem. Ich bin mit dem Auto zur Schule gefahren. Ich bin mit dem Auto zum Zivildienst gefahren. In Heidelberg bin ich mit dem Auto zur Uni gefahren – und inzwischen fahre ich jeden Tag über 100 Kilometer zur Arbeit. Ich fahre gerne Auto. Es gehört für mich ein Stück weit zum Leben mit dazu. Es ist einfach ein Lifestyle, auch wenn diesen viele meiner Freunde und Bekannten aus Großstädten nicht nachvollziehen können.
Unterwegs mit dem BMW i3
Ihr seht also: ich kenne das Autofahren nicht nur von irgendwelchen Fahrveranstaltungen, sondern aus der täglichen Praxis. Aus diesem Grund hat es mich auch sehr gefreut, dass ich vor einiger Zeit die Gelegenheit zu einem Experiment hatte: eine Woche mit dem BMW i3 [wer direkt Infos zum Auto möchte, findet hier die technischen Daten]. Ich habe mich ganz bewusst für ein Modell ohne Range Extender entschieden, also ohne einen Verbrennungsmotor, der die Reichweite künstlich erhöht, da ich mir eine Frage beantworten wollte: schaffe ich es rein elektrisch zur Arbeit und wieder zurück zu kommen und ohne Abstriche beim Komfort machen zu müssen?
Man muss umdenken
BMW gibt die Reichweite des i3 mit 160 Kilometern an. Ich muss täglich 110 Kilometer zurücklegen. Also alles kein Problem? Nein, so einfach ist das nicht. Wenn man nämlich genau hinschaut, schreibt BMW, dass man mit dem verbauten Lithium-Ionen-Akkumulator (Kapazität 18,8 kWh) “bis zu 160 Kilometer” weit kommt. Als Techblogger kennt man diesen Ausdruck nur zu gut aus dem Smartphone-Bereich – und weiß, dass “bis zu”-Werte in der Praxis so gut wie nie erreicht werden. Man weiß aber auch, dass man länger durch den Tag kommt, wenn man die Bildschirmhelligkeit reduziert, LTE und Bluetooth deaktiviert und nicht zwei Stunden lang irgendwelche aufwendigen 3D-Spiele zockt.
Damit kommen wir auch schon zum ersten wichtigen Punkt, den man sich vergegenwärtigen muss, wenn man sich mit dem Thema E-Mobility beschäftigt: das Nutzerverhalten trägt entscheidend zur verfügbaren Reichweite bei, denn ALLES, was in einem Elektroauto leuchtet, blinkt, bläst oder tönt, holt sich die Energie dafür vom Akku. Beim Smartphone sind es Bildschirmhelligkeit, LTE und aufwendige 3D-Spiele, beim Elektroauto sind es der 10,2 Zoll große hochauflösende Bildschirm (zumindest beim BMW i3), die Klimaanlage und das Beschleuningen. Man kann die Analogie noch weiterführen: für das Smartphone gibt es einen Akkupack, für das Elektroauto öffentliche Ladesäulen – aber beides hat man eben nicht immer und überall zur Hand.
Nachdem man jahrelang daran gewöhnt war, mal eben kurz zur Tankstelle zu fahren, wenn sich die Kraftstoffreserve dem Ende zuneigt, geht das nun nicht mehr. Man muss umdenken.
Die Angst fährt am Anfang mit
Das schiere Wissen, dass mir im Notfall weder eine Tankstelle noch ein Reservekanister hilft, trieb mir bei der ersten Fahrt mit dem i3 die Schweißperlen auf die Stirn – und das obwohl ich nur 60 Kilometer bis zum Büro zurücklegen musste und die Akkuanzeige mir 120 Kilometer Restreichweite bescheinigte. Was passiert, wenn die Anzeige lügt und ich am Ende doch nur 100 Kilometer schaffe? Bleibe ich dann irgendwo auf der Autobahn liegen? Und überhaupt: Wenn ich auf der Autobahn schneller als 100 km/h fahre, beansprucht das den Akku nicht so stark, dass er schon nach 80 Kilometern den Geist aufgibt? Was mache ich, wenn ich keine Ladesäule finde oder diese defekt ist? Fragen über Fragen….
Egal. Radio einschalten, Navigation starten, Klimaanlage bei 35 Grad Außentemperatur auf die maximale Stufe stellen. Los geht’s! Oh wait! Plötzlich, ohne dass ich mich auch nur einen Meter vorwärts bewegt habe, verringert sich die Reichweite vor meinen Augen von 120 Kilometer auf 110 Kilometer. Ach ja, richtig, da war ja was. Hastig schalte ich die Klimaanlage wieder aus und wechsle über den Fahrmodus-Schalter vom Comfort- in den Eco Pro-Modus (verbrauchsoptimiertes Fahren, Klimaleistung reduziert, man bekommt Tipps, wie man fahren muss, um Energie zu sparen). Keine Sekunde später stehen stolze 135 Kilometer auf meiner Anzeige. Und da geht noch mehr! Aktiviert man Eco Pro+ kommen nocheinmal 15 Kilometer dazu – allerdings muss man dann ganz auf die Klimatisierung oder im Winter auf die Heizung verzichten und die maximale Geschwindigkeit wird auf 90 km/h reduziert. Im Alltag taugt dieser Modus somit bestenfalls als Notlösung.
Ihr seht: die Reichweite variiert schon vor dem Start recht stark, weshalb man gerade für längere Strecken zunächst praktische Erfahrungen sammeln muss, um beurteilen zu können, was möglich ist und was nicht.
Die ersten Kilometer im Stromer
Ich fahre normalerweise einen Diesel, der mit einer Tankfüllung problemlos 800 Kilometer weit kommt. Auf den ersten 40 Kilometern bewegt sich die Tanknadel für gewöhnlich kaum nach links. Sobald die Reichweite unter 80 Kilometer sinkt, heißt das für mich Reserve und ich suche die nächste Tankstelle auf.
Beim BMW i3 zeigt der Ladebalken schon nach wenigen Kilometern an, dass man bereits zehn Prozent der verfügbaren Energie aufgebraucht hat – und ja, wenn man das so nicht kennt, wird man nervös und fängt an, auf die Beschleunigung und Geschwindigkeit zu achten. Brauche ich die Klimaanlage wirklich? Ständig schwankt mein Blick zwischen der verfügbaren Reichweite und der Strecke bis zum Zielort. Nach 55 Kilometern (im Eco Pro-Modus auf der Autobahn mit maximal 120 km/h) zeigt mir der i3 eine Restreichweite von knapp 60 Kilometern an. 55 plus 60 macht 115. Das entspricht in etwa dem, was mir schon vor Fahrtbeginn vorhergesagt wurde. Dennoch macht sich in mir ein ungutes Gefühl breit, da für mich als Dieselfahrer alles unter 80 Kilometern einen leeren Tank symbolisiert.
@frankfeil alles unter 5 km zählt nicht
— I’m not Lars (@iLeoLars) 26. August 2015
Wirklich entpannen kann ich mich erst, als der i3 an der Ladesäule von EnBW hängt und sich der Ladebalken sichtbar nach rechts gen 100 Prozent bewegt. Circa zwei Stunden dauert es, bis der Stromer über den Typ 2-Stecker wieder aufgeladen ist. Ich freue mich auf die Heimfahrt, auf der ich dann keine Kompromisse mehr eingehen und auf nichts mehr Rücksicht nehmen muss. Denn bis in meine Garage reicht eine Akkuladung dann auf jeden Fall, selbst wenn ich die Klimaanlage auf 16 Grad stelle und konstant mit 150 km/h (Maximalgeschwindigkeit) über die Autobahn jage.
Dazu und zu den Themen Kosten, Aufladen sowie Verbrauch dann mehr in den nächsten Artikeln. Bis dahin freue ich mich auf eure Erfahrungen und Tipps zum Thema E-Mobilität.
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[…] Bei Elektromobilität muss man umdenken. Daran führt kein Weg vorbei. Die angestammten Fahrgewohnheiten ändern sich – und man nimmt das Thema Mobilität mit einem Mal ganz anders war. Man tankt weder Diesel noch Benzin, sondern Strom. Das ändert alles. Während ich mit einem Verbrenner 800 Kilometer fahren und dann innerhalb von zwei Minuten den Tank wieder auffüllen kann, muss ich bei einem Elektroauto die Reichweite stets im Blick behalten. Auf längeren Strecke muss ich Zwischenstopps so planen, dass ich die nächste Ladesäule auch bei unvorhergesehenen Ereignissen (größere Umfahrungen) erreiche. An dieser muss ich dann allerdings nicht zwei Minuten, sondern mindestens eine halbe Stunde Pause einlegen. […]