Den Zahlen nach sah es schon vor einem Jahr düster aus, als Palm 98 Mio $ Dollar Verlust machte – bei einem Umsatz von 91 Mio $. Das klingt katastrophal, aber Palm hatte damals noch hohe Rücklagen. Zwar konnte der Smartphonebauer den Verlust auf 22 Mio $ senken und den Umsatz auf 350 Mio $ steigern, aber die Rücklagen sind aufgebraucht und kein Land ist in Sicht.
Pre und Pixi verkaufen sich mäßig, der Aktienkurs ist um 18% eingebrochen, Analysten sehen das Kursziel bei 0 $ und der Marktanteil von WebOS ist minimal. Ist Palm am Ende? Vieles hat Palm richtig gemacht: dem geschlossenen AppStore des iPhone wurde ein offener entgegengesetzt, die Firmenpolitik ist Homebrew-freundlich, WebOS ist dem Betriebssystem von Apple um einiges voraus, die Qualität des Bildschirms ist höher und man kann den Akku wechseln. All diejenigen, die nicht gerne auf auf Touchscreens herum tippen, bekommen eine Hardware-Tastatur, die elegant im recht kleinen Gerät verschwindet, und last but not least ist das Aufladen per drahtlosem Touchstone mehr als sexy. Warum funktioniert es nicht?
Im Grunde ist der Palm Pre ein Gerät für Nerds: Man kann ihn wunderbar hacken und relativ einfach eigene Programme entwickeln. Mit geringem Aufwand hat man eine Linux-Shell, auf der sich dank Tastatur sogar gut arbeiten lässt. Der Pre ist das Gerät der Wahl für Leute, die auch sonst gerne Linux einsetzen und auf der Kommandozeile rumhacken. Doch das ist eine verschwindend geringe Minderheit.
Die Mehrheit interessiert sich wohl eher für eine einfache Bedienung. Hier habe ich die Beobachtung gemacht, dass viele Menschen sich (noch?) nicht so recht mit Touchscreen-Geräten anfreunden können und klassische Mobiltelefone als einfacher empfinden. Die haben zu dem den Vorteil, dass ihre Akkus länger halten, die Qualität der eingebauten Kamera meist höher ist und derlei Dinge mehr. Ginge man danach, hätte das iPhone aber auch nicht erfolgreich sein dürfen.
Der Pre konkurriert nicht wirklich mit klassischen Handys sondern wird zwischen iPhone und Android aufgerieben. Android von Google ist frei und wird deshalb massenhaft von Herstellern verbaut. Das iPhone ist zwar ein geschlossenes System, aber der Pre ist einfach kein Lifestyle-Gerät. Während Apple mit Einfachheit, Entertainment, dem iPod und Coolness assoziiert wird, leidet Palm noch darunter, mit seinen PDAs eine Marke für Business-Anwender gewesen zu sein, die in den Nullerjahren ihr eigenes System hat verkommen lassen und Windows-Mobile-Geräte produzierte.
Gerade die alten Business-Kunden haben ein nostalgisch-liebevolles Verhältnis zu den alten PDAs von Palm. Sie wollen ihren Kalender, ihre Notizen, Kontakte und Todo-Listen möglichst einfach mit ihrem Desktop (oder einer Web-Anwendung in der Cloud) synchronisieren. Genau das kann der Palm bis heute nicht zufrieden stellend. Es wird Zusatzsoftware benötigt, die Geld kostet und dann trotzdem keine Notizen oder Todo-Listen mit MacOS oder Outlook synchronisieren kann. Mittlerweile werden die Lösungen der Drittanbieter zwar besser, aber ein extrem simpler Sync wie damals mit dem Palm Desktop, hätte von Anfang vollständig und kostenlos dabei sein müssen, um diese Zielgruppe anzusprechen.
Stattdessen hatte Palm mit Synergy die geniale Idee, Daten aus möglichst vielen Quellen zusammen zu fassen. Leider wurde dieser Weg (noch?) nicht zu Ende gegangen, denn ich kann den Palm zwar mit Google oder Facebook abgleichen, aber auch hier fehlt mir die Synchronisation von Todo-Listen und Notizen. Und seien wir ehrlich: Facebook und Handy, das sind immer noch zwei Sphären: Die Kontakte, die im Handy gespeichert sind, sind auf Facebook unnötig und umgekehrt. Vielleicht ist der Palm mit dieser Synergy genannten Funktion seiner Zeit nur weit voraus – heute brauchen viele das nicht und haben ein ungutes Gefühl dabei, alle ihre Daten der Cloud anzuvertrauen.
Die Business-Anwender kommen nicht wie bei einem Blackberry auf ihre Kosten. Für den Palm gibt es Spiele, aber für iPhone und Android gibt es noch viel mehr. Für fast alles, was man so braucht, gibt es eine App (oder Homebrew-Software), aber trotzdem insgesamt viel zu wenig. Wer mit dem Gerät Musik hören will, sollte es eigentlich mit iTunes abgleichen können, wo Apple aber einen Riegel vorgeschoben hat. Palm hat das Kunststück fertig gebracht, ein technisch geniales Gerät zu bauen und sich damit dann zwischen alle Stühle zu setzen.
Natürlich sind die Zahlen, die Palm vorgelegt hat, so negativ nicht. Während viele das Pre schon für tot erklären, sagen andere, Palm habe noch Chancen, schließlich sei es Apple in den 90ern ja auch miserabel gegangen. Der Unterschied ist nur: Apple hat mit dem iMac und allem, was danach kam, den Befreiungsschlag geschafft. Für Palm hätte der Pre samt WebOS dieser Befreiungsschlag werden müssen. Ob die Firma Ressourcen für einen weiteren hat?
(Der Autor benutzt einen Palm Pre (und das sehr gerne), möchte sich nicht von Apple vorschreiben lassen, welche Apps er auf seinem Telefon laufen lassen darf, fand Windows Mobile zu frickelig und denkt über Google: “No Android, I’m paranoid”.)
- Unicom bestätigt: iPhone 5 hat HSPA+ mit 21 MBit/s - 30. September 2011
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This post was mentioned on Twitter by ennomane: Gebloggt: Palm am Ende? https://www.stereopoly.de/palm-am-ende/…
So ganz kann ich mit der Kritik nicht mitgehen. Vor allem was das Synchronisieren angeht ist webOS ein Traum. Durch Synergy verbinde ich mittlerweile Daten von meinem Exchange-Server, einem Google-Kalender sowie Facebook (wo Kontakte und Veranstaltungen aufs Handy gepusht werden). Allein die Möglichkeit Daten aus verschiedenen Quellen zu erhalten (Exchange für geschäftliche und private Termine, sowie einen mir freigegebenen Google Calender für die Daten meiner Freundin) ist für mich nicht mehr wegzudenken.
Was auch nicht zu vergessen ist beim Thema Synchronisation: Sobald ich mein Gerät komplett zurücksetzen, es also in den Auslieferungszustand bringe, muss ich lediglich Benutzername und Passwort meines Palm-Profils eingeben, danach richtet er mir das Gerät automatisch wieder so ein wie es zuvor war – inklusive automatischer Installation meiner Anwendungen und Einrichten der Konten. Das kann meines Wissens nach keine andere Plattform.
Was durchaus stimmt ist der problematische Abgleich seiner Daten mit einem PC, sprich ohne Wolke. Immerhin hat Palm auch von Anfang an gesagt, dass webOS für den Abgleich mit Onlinediensten gemacht worden ist. Meiner persönlichen Meinung nach handelt es sich bei der Synchronisierung mit dem PC eh um einen Anachronismus – die Vorteile der Wolke liegen auf der Hand (Nachteile gibt es natürlich auch – besonders wenn man paranoid veranlagt ist ;). Wer nicht ohne dies leben kann (oder muss), der mag sich in der Tat vielleicht besser nach einer anderen Plattform umschauen.
Den Abgleich mit iTunes hielt ich zudem auch schon von Anfang an für einen Fehler, mit dem Palm sich keinen Gefallen getan hat. Allerdings ist es mittlerweile absolut kein Problem mehr mit freier und guter Drittanbietersoftware die Playlisten auf das Handy zu bekommen. Und wer wie ich auf iTunes sowieso verzichtet findet eine Hand voll kostenloser Musiksoftware, die von Haus aus die Daten abgleichen können, oder kopiert die Musik einfach per Hand auf die USB-Freigabe.
Ein Punkt, der Palm unglaublich sympathisch macht: Freiheit. Palm lässt es höchst offiziell zu, dass man Software auch ohne den App Catalog installieren kann. Eine ehemalige Domäne von Windows Mobile, die mit deren neuster Version Windows Phone 7 Series übrigens wegfallen wird. Zudem hat sich eine äußerst aktive Homebrew-Szene gebildet, welche unglaublich gute Tools entwickelt hat, ja sogar ein ganzen eigenes Ökosystem für Apps, Patches und Themes – meines Wissens ebenso einmalig in der Industrie. In webOS ist für den Anwender sogar vorgesehen die Standardprogramme (zB Mail, Browser) nach eigenem Geschmack durch andere zu ersetzen – kann man sich das bitte einmal bei einem iPhone vorstellen?
Ich sehe das Problem bei Palm nicht bei den Geräten oder der Software. Die Qualität der Hardware ist spätestens mit dem Pre Plus gut, webOS trotz vieler kleiner Problemchen das wohl beste mobile Betriebssystem, welches momentan verfügbar ist. Der App Catalog ist (mit Paid-Apps) immerhin annehmbar gefüllt. Das Image ist jedoch wie schon gesagt nicht besonders gut und Palm hat bisher auch nicht verstanden, wie es die Vorteile ihrer Plattform richtig bewerben kann. Hier ist definitv noch Arbeit zu leisten – man kann es sich nur wünschen.
@Marc Klar kann man Desktop-Synchronisation als Anaychronismus empfinden, es gibt aber auch Leute, die (z.B. auch im geschäftlichen Einsatz) nicht wollen, dass ihre Daten über eine Cloud wandern. Vielen ist es sogar verboten, wenn man die Datenschutzgesetze ernst nimmt.
“Ein Traum” ist Synergy nicht, sondern sehr unausgegoren. Ich kann damit zig Sachen abgleichen, aber nichts richtig. Meine Todo-Listen (ich ARBEITE mit dem Gerät) kann ich mit gar nichs abgleichen, außer ich bezahle einen Remember-The-Milk-Account und nutze dafür eine separate App.
Oder der Abgleich mit Facebook. Facebook sammelt auf diese Weise Daten von Nicht-Mitgliedern und schickt ihnen Einladungsmails und bildet deren Beziehungen mit ab, weil irgendwelche Leute unbedingt alle ihre Kontaktdaten auf Facebook hochladen müssen. Ok, ich bin selbst auf Facebook, aber ich möchte nicht, dass meine Freunde, Bekannten und Geschäftspartner usw. meine ganzen Adress-Daten an dritte weitergeben. Synergy macht das aber per Default.
Inwiefern ist das WebOS dem iPhone OS bitte um einiges voraus?
(Um das mal klarzustellen: Ich selbst bin iPhone Nutzer durch und durch, allerdings mag ich das Palm Pre und hab es schon einigen meiner Freunde empfohlen, die auf der Suche nach einem “Nicht iPhone”-Smartphone waren)
Aus Entwicklersicht bringt das WebOS zwar mal ein wenig frischen Wind, allerdings ist es in der Praxis eher suboptimal: Die Performance ist höchstens mittelmäßig, sämtliche Apps sind – nüchtern betrachtet – lediglich HTML5 WebApps (die afaik im Vergleich zum iPhone nicht mal Hardware-beschleunigt sind) und die Developer-Tools sind z.B. im Vergleich zu denen von Apple absolut mickrig. Ich kann ehrlich gesagt verstehen, warum Palm keine Entwickler für seine Plattform findet. Ich glaube auch nicht daran, dass man mit dem PDK noch viel rausreissen kann, – dafür kommt es 1-2 Jahre zu spät. Leider.
[…] Quelle: PalmBesonders in der Blogsphäre wurde intensiv über den Palm Pre berichtet: Das Interesse am Smartphone war immens groß. Auch sonst kam das Gerät in den Medien sehr gut davon – allerdings konnte der Buzz nicht dazu beitragen, das neueste Palm Smartphone zu einem Kassenschlager zu machen. Ganz im Gegenteil: Der Verkauf könnte wesentlich besser laufen. Ich schreibe über dieses Thema, weil gestern auf Spiegel Online ein toller Beitrag über die Unternehmensgeschichte von Palm veröffentlicht wurde. Aus dem Beitrag geht mehr oder weniger direkt hervor, dass der Palm Pre die letzte Hoffnung von Palm verkörpert, auf dem Markt zu bestehen. Sollte das Smartphone kein richtiger Kassenschlager werden, so könnte der Name Palm womöglich bald vom Markt verschwinden. […]
Also ich hab seit 4 Monaten mein Pre und bin damit im Großen und Ganzen zufrieden. Was mir nicht gefällt, ist die Art und Weise, wie mit Updates umgegangen wird. Man wartet und wartet auf neue Releases mit neuen Programmfunktionen oder Fixes (z.B. Flash-Plugin) und es passiert einfach nichts.
Relativ selbstverständliche Funktionen wie z.B. Bluetooth-Verbindung zur Datenübertragung an PC oder andere Handys fehlen immer noch.
Ich bin zuversichtlich, dass Palm überleben wird. Es dauert halt alles ein bisschen länger.
[…] Palm kriselt es. Ich hatte dazu schon ausführlicher bei Stereopoly geschrieben, aber einen Aspekt weggelassen: die bisher doch ziemlich maue Werbung, die Palm so macht. Heiko […]
[…] unkompliziert und ad hoc ans Internet koppelt. Das ist eine dieser Sachen, für die ich den Pre trotz allem liebe. Es gibt […]
[…] kriselt, das Palm Pre bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Schuld kann man bei sich selbst […]