Zur IFA 2016 hat Samsung die Nachfolgerin der Königin der Smartwatches mitgebracht und wir hatten uns einen ersten Eindruck verschafft, jetzt konnten wir die Gear S3 frontier ausgiebig herumtragen.
Die Gear S3 ist in ihren Geschmacksrichtungen “frontier” und “classic” Samsungs sechster Beitrag (in Generationen gesprochen) zur Smartwatchwelt und außerdem die zweite Version einer runden, verbundenen Uhr. Während alle anderen Hersteller momentan die Schmieden ruhen lassen, ist Samsung mit ihrer aktuellen Kreation recht allein und kann vielleicht den sehr viel weniger schnell wachsenden Kuchen zum größten Teil für sich beanspruchen.
- 09/2013 – Galaxy Gear (Tizen)
- 04/2014 – Gear 2 (Tizen)
- 05/2014 – Gear 2 Neo (Tizen)
- 07/2014 – Gear Live (Android Wear)
- 10/2014 – Gear S (Tizen)
- 10/2015 – Gear S2 | 3G (Tizen)
- 10/2015 – Gear S2 classic (Tizen)
- 04/2016 – Gear S2 classic 3G (Tizen)
- 11/2016 – Gear S3 frontier | LTE + classic (Tizen)
Bis auf die Gear Live liefen übrigens alle Smartwatches von Samsung mit Tizen. Gear 2 und Gear 2 Neo sind eine Generation, genauso wie Gear S2 und Gear S2 classic mit oder ohne 3G zu einer Generation gehören. Die Varianten mit 3G (Gear S2) oder LTE (Gear S3) kamen in Deutschland auch nicht später auf den Markt. Man sieht an der Liste auch, dass 2014 der Hype um sich griff.
Die Galaxy Gear war ja über die Feiertage kaum im Handel kam schon die Gear 2 in zwei Geschmacksrichtungen, dann auch mit Android Wear, als Konzession an Google, nur um im Herbst vom Armreif Gear S beerbt zu werden. Dann ließ man sich ein Jahr Zeit, kam mit der besten Smartwatch für Android um die Ecke und hat sie nun im vergangen Spätherbst überarbeitet vorgelegt.
Verbindung zum Smartphone
Als Hub für die Verbindung zum Smartphone dient natürlich eine App. Samsung Gear heißt diese App ganz einfach. Verbunden wird die Uhr hauptsächlich via Bluetooth, sie kann aber auch in bekannten WLANs mit dem Smartphone kommunizieren. Samsung Gear lässt sämtliche Einstellungen der verbundenen Smartwatch ändern und bietet Links zu weiteren Ziffernblättern und Apps im eigenen Gear Store. Ganz ähnlich macht das ja auch Android Wear für Smartwatches mit Android Wear.
Hier lassen sich auch die Ziffernblätter ändern und anpassen, des Weiteren kann festgelegt werden, wie bei eingehenden Benachrichtigungen verfahren werden soll. Die Verwaltung aller installierten Apps findet hier statt und es lassen sich Medien (Musik und Fotos) auf die Gear S3 übertragen.
Eine weitere hier integrierte Funktion ist das Senden von SOS-Anfragen. Es lassen sich bis zu vier Kontakte festlegen, denen man mit einem dreifachen Klick auf den Homebutton eine Nachricht zukommen lassen kann, mit der sie einen für eine Stunde lang verfolgen können. Dabei kann ein Kontakt auch direkt angerufen werden, oder bei einem eingehenden Anruf dieser stumm und automatisch angenommen werden. Damit man die Funktion nicht aus versehen aktiviert gibt es auch noch einen Countdown, bevor die SOS-Nachrichten verschickt werden.
Natürlich lässt sich auch die verlegte Uhr in der App wiederfinden (und das Smartphone von der Uhr aus) und sollte der Akku sich ungewöhnlich schnell entleeren, lässt sich der Übeltäter im Infobereich ausfindig machen (s.o.). Für Android-Smartphones gilt, dass sie mindestens über 1,5 GB RAM und Android 4.4 verfügen müssen.
Ich erwähnte das Übertragen von Daten. Die Samsung Gear S3 frontier verfügt über 4 GB internen Speicher, den sich System und Apps mit eigenen Bildern, Audio und Video teilen. Das bedeutet aber auch, dass man Playlisten vom Smartphone einfach auf die Uhr übertragen kann. Warum man sich Bilder und Videos auf einer Smartwatch ansehen wollen sollte erschließt sich mir nicht. Fürs Jogging kann man also auch das Telefon zuhause lassen und sein Bluetoothheadset direkt mit der Uhr im Standalone-Modus koppeln. Das integrierte GPS-Modul trackt auch ohne Smartphone eure Strecke.
Die Gear S3 und iOS
Ganz neu ist die Kompatibilität zu iOS (siehe Video), für das es seit einer Woche eine eigene App gibt, die S Health (s.u.) rudimentär integriert. Die kostenlosen Apps und Ziffernblätter gibt es auch. Leider ist die Samsung Gear S3 frontier – wie auch Smartwatches mit Android Wear – nur in stark begrenztem Umfang mit iOS nutzbar. Im Wesentlichen wird sie zu einem Satelliten für Notifications und Fitnesstracker – auf Messages lässt sich nicht antworten.
Die Zusatzfunktionen (Store, S Health) werden in der iOS-Version über einen integrierten Browser, also das Web, geregelt und befinden sich nicht nativ auf dem iPhone. Musik bekommt man über einen Mac/PC auch über eine Weboberfläche auf die Gear S3. Ihr benötigt mindestens ein iPhone 5 mit iOS 9.0.
Ziffernblätter
Hier bin ich tatsächlich etwas enttäuscht von der geringen Bandbreite der vorinstallierten Auswahl. Entweder gibt es kitschige Ziffernblätter, die mit aufgemalten “Lichtreflexen”, echte Uhren imitieren sollen, extrem minimalistische Geschichten oder S-Health-Darbietungen. Es gibt kein Samsung-Watchface, das zu 100% selbst aus allen möglichen Komplikationen zusammenstellbar ist und besonders nicht in analoger Form. Das “Gear Dashboard” (s.u.) erwies sich noch am Nützlichsten, ist aber digital und ohne Datumsanzeige.
Man kann S Health (Schritte, Puls, Kalorien) nicht gut mit Outdoor (Barometer), Wetter und Kalender mischen. Digital gibt es das auf der “Schrittherausforderung 1”, aber wenn man sich eben mit niemandem messen kann oder will, ist das untere Drittel sinnlos leer und mit seinem Fragezeichen nervig. Natürlich kann man im Gear Store Ziffernblätter nachladen. Zwischen Kostenlos und 4,33 € (vielleicht auch höher) ist hier alles dabei und vielleicht hätte ich nach stundenlanger Suche auch das perfekte Ziffernblatt für meinen Geschmack (à la “Plan” von der Moto 360) gefunden.
Es gibt aber noch eine Möglichkeit. Der Gear Watch Designer ist zwar immer noch in Beta, liegt aber seit Dezember 2016 in v1.3 vor und kann auch für die Gear S3 verwendet werden. Ich hab mir mal ein Traumziffernblatt (leider keine Wetter-Complication in den Komponenten dabei 🙁 ) zusammengeklickt. Wer mit AI oder PS von Adobe Erfahrung hat, kommt hier sehr schnell klar. Im Grunde ist es ein Designer mit Layern und verrückbaren Elementen, der auf ein bestimmtes Ausgabeformat festgelegt ist. Damit man die selbst designten Ziffernblätter auch benutzen kann, muss man sich mindestens ein Autorenzertifikat besorgen (für den Store ist ein Distributorenzertifikat erforderlich). Geht alles innerhalb der App.
Apps
Das vorinstalliere Array eigener Tizen-Apps von Samsung ist für den Alltag durchaus ausreichend und nützlich. Wer unbedingt Fruit Ninja auf einer Uhr spielen will, kann das tun. Ansonsten ist es immer noch eher mau was Apps von großen (“echten”) Drittanbietern angeht. So gibt es zwar, das hierzulande nutzlose, Uber, aber eben kein MyTaxi. Einzig Spotify lässt sich von den Musikstreamern sehen. Der Rest im Gear Store ist – neben der ein oder anderen Camera Remote und Taschenlapen-App – eher überflüssiger Quatsch. Man beachte den Schreibfehler.
Von den großen Diensten gibt es neben Spotify auch Here we go (HERE Maps, leider ohne ÖPNV), KLM, ESPN, upday, n-Tv, Yelp, Bloomberg, Glympse und Uber. Samsung hat für alles, was auf Android Wear Google mitliefert, Entsprechungen, aber für einige mir wichtige Apps gibt es eben (noch) keine Verbindung zu Tizen. Kein Swarm, kein Skype, kein Shazam und genauso kein Pocket Casts.
Messaging ist aber überhaupt kein Problem. Jeder Chatclient (WhatsApp, Threema, Facebook Messenger…) wird gleich behandelt und man kann sowohl mit vorgefertigten Kurzantworten, Emojis oder der Minitastatur (T9) antworten. Von sich aus Nachrichten verschicken kann man leider nur via SMS/MMS, solange die entsprechende eigene App auf dem Smartphone die Standard-App für SMS/MMS ist.
Hat man z.B. “Nachrichten” durch “Signal” ersetzt, geht das leider nicht mehr. Das selbe gilt für E-Mail. Dazu muss man ein E-Mailkonto auf der Standard-E-Mail-App einrichten, mit Gmail passiert leider nichts.
S Voice
“S Voice” ist langsamer und weniger treffsicher als “Ok Google”. Es ist leider meistens schneller, mit der Lünette zum Timer (App) zu drehen, oder auf dem Bildschirm zu touchen, als die Smartwatch mit “Hey Gear S3” anzuschreien und die gefühlt zu langen Pausen abzuwarten, die bis zum Start der S-Voice-App und der Hörbereitschaft für die eigentliche Anfrage, vergehen.
Ganz abgesehen davon, dass mein Auslösespruch auch nicht immer verstanden wurde. “Ok Google, stelle einen Timer auf 10 Minuten”, kann ich selbst auf meiner 2014er Moto 360 hintereinanderweg ansagen und die Smartwatch versteht es immer und handelt sofort. S Voice jedoch nicht. Schade.
S Health
S Health ist auf der Gear S3 für die Sammlung und Aufbereitung sämtlicher Körperdaten zuständig, wie Moto Body auf der Moto 360 oder LG Health bei der LG Watch oder Huawei Wear bei der Huawei Watch. Natürlich gibt es, wie bei der Konkurrenz, auch eine entsprechende App für das Smartphone. Für S Health gelten die selben Regeln wie für Samsung Gear. Die App lässt sich auf jedes, mit der Uhr kompatible, Android-Smartphone installieren.
Sowohl auf der Uhr als auch in der App auf dem Smartphone lassen sich persönliche Ziele definieren und Workouts, die man häufig wiederholt für leichten Zugriff in ein Raster packen. Die Samsung Gear S3 frontier misst den Puls, die zurückgelegte Strecke in Entfernung wie Höhe und den Schlaf, wenn man denn bereit ist, eine Uhr im Bett zu tragen. Es lassen sich auch Wasser und Kaffee tracken und auf dem Smartphone zusätzlich Essen (zugeführte Kalorien).
Wenn man das nicht möchte, ist das aber auch nicht schlimm, da S Health auch Daten mit anderen Apps austauschen kann. Nachts trage ich z.B. immer auch meinen schmalen, leichten Misfit-Tracker und dessen Daten wandern auch in S Health auf dem Smartphone. Kurzum, neben Misift kann S Health noch mit Fitbit, Jawbone, Microsoft Health, Runkeeper und Strava sprechen.
Ein weites Feld von Partnerapps kann die jeweils dort gesammelten Daten auch zu S Health übergeben. Es ist damit ein allumfassender Google-Fit-Ersatz, denn mit dem Service spricht S Health nicht. Eine Community steckt auch noch drin und man kann sich immer mit jemandem messen, was auch durch das ein oder andere Ziffernblatt hervorgehoben wird.
Die Genauigkeit des Schrittzählers kann ich nur mit einem Misfit Ray vergleichen und an Tagen, an denen ich beide Wearables über einen gleichen Zeitraum an den Handgelenken führte, stimmen die Schrittzahlen auch ungefähr überein (sie sind im “selben Ballpark”, wie die Amis so schön sagen). Wobei entweder die Gear S3 frontier etwas zu viel zählt, oder die Misfit Ray zu wenig. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Was Beide – und damit auch die Gear S3 frontier – tun, ist einen guten Anhaltspunkt für die tägliche Aktivität liefern und wo und wann sich evtl. etwas verbessern lässt. Abzeichen dürfen natürlich auch nicht fehlen. Es lebe also die Gamification.
Fazit zur Gear S3 frontier
Samsung gibt an, dass die Gear S3 bis zu 4 Tage ohne erneutes Aufladen durchhalten. Dreieinhalb Tage sind realistisch. Das ist immer noch sehr viel besser, als das, was alle anderen Smartwatches bieten können. Die Kombination aus Tizen OS 2.3.2, Exynos 7270 (Dual-Core, 1 GHz) und Akku mit 380 mAh machen es möglich.
Lässt man den Bildschirm immer an (Always On) verringert sich die Laufzeit natürlich. Das hat jedoch den Vorteil, dass man die Uhr nicht immer erst anheben muss, um die Uhrzeit ablesen zu können. Das Super-AMOLED-Display mit 3,3 cm Durchmesser ist von Cornings Gorilla Glass SR+ geschützt und auch aus sehr flachen Winkeln ablesbar. Kombiniert man das mit dem Always-On-Display haben wir einen Gewinner.
Die Kollegen von Techisode TV haben übrigens 10 mehr oder weniger versteckte Features der Gear S3 in einem schönen Video zusammengefasst:
Mich persönlich nervt einerseits das Gehadere von S Voice etwas an der Samsung Gear S3 frontier. Das bestimmte, wenige Lieblingsapps nicht verfügbar sind, ist zu verschmerzen, da ich für die sowieso meist das Telefon hervor hole. Andererseits macht die Kombination der Sensoren, die Gear S3 zu einem umfassend guten Tracker von Fitness- und Körperdaten.
Neben Puls und Schritten, kann die Smartwatch ebenfalls noch Geschwindigkeit (dank GPS & Beschleunigungssensor) und Höhe (Barometer) erfassen. Darum bekommt man nicht nur einen schicken Höhenmesser fürs Wandern ans Handgelenk, sondern er zählt auch zuverlässig gestiegene Etagen (vermutlich nach Überwindung von ~2 Höhenmetern), die mit in den Kalorienverbrauch eingerechnet werden.
Sehr nützlich ist auch die Möglichkeit, direkt auf jede Nachricht, egal von welcher App sie kommt, antworten zu können und ohne, dass es eine Companion-Tizen-App auf der Uhr pro Messenger benötigt. Die Uhr ist mit IP68-Zertifizierung wasser- und staubdicht und das sollte sie auch sein für den Outdoor-Einsatz. Einen solchen haben die German Roamers werbewirksam für Samsung in Island unternommen. Dank Standardverschluss, passen immerhin alle Armbänder mit 22 mm Breite an die Gear S3 frontier.
Verfügbarkeit und Preis
Bei Amazon steht die Samsung Gear S3 frontier noch zum vorbestellen für 377 Euro drin, während andere Händler (eBay, siehe Preis.de-Button) schon bei um die 350 Euro angekommen sind. Der EVP von Samsung liegt bei 399 Euro, doch im eigenen Shop ist die Frontier derzeit ausverkauft. In anderen Märkten gibt es die Samsung Gear S3 Frontier auch mit LTE. Damit lassen sich SMS/MMS und Anrufe direkt, ohne verbundenes Telefon, annehmen und absetzen.
Ferner gelten alle Eigenschaften und Eigenheiten genauso für die Samsung Gear S3 classic. Diese unterscheidet sich folglich nur durch ihr Äußeres von der Gear S3 frontier. Im Grunde genommen entscheidet bei der Auswahl nur der persönliche Geschmack. Ich persönlich finde die Farbe der Gear S3 frontier weniger aufdringlich. Auch die flachen Knöpfe und die sehr viel klickigere Lünette fühlen sich wertiger an. Der Samsung Gear S3 frontier liegt übrigens eine Ladeschale samt Ladekabel und ein Ersatzarmband der Größe S bei. Größe L ist standardmäßig angesteckt.
Die Gear S2 classic ist ja eher mit der Gear S3 frontier verwandt, als mit der Gear S3 classic. Sie bleibt überdies eine der leichtesten Smartwatches mit nur 42 g. Ihre Features unterscheiden sich nicht grundlegend von denen der Gear S3s (59 und 63 Gramm). Wegen ihrem gesunkenen Preis (~260 Euro) ist sie sicher immer noch eine Überlegung wert. Im Vergleich fehlt ihr natürlich das GPS und sie hat eine geringere Akkulaufzeit. Die Kompatibilität zu iOS gilt nichtsdestotrotz auch für sie.
weiterführender Link: Samsungs Produktseite
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Wie Sie es schaffen, laut ihrem Test, unterschiedliche Workouts (Aktivitätstypen) auf die Uhr zu bekommen ist mir schleierhaft. Das geht nämlich im Gegensatz zur Gear S2 nicht. Testen Sie auch, was Sie da schreiben?
Hallo Frank, die Aktivitätstypen stecken eigentlich alle in der S Health App auf der Gear S3, und zwar beim vierten Menüpunkt in der App.
Punkt 1 = Aktivitätsübersicht
Punkt 2 = Schritte
Punkt 3 = Stockwerke
> Punkt 4 = Workouts/Training <
Um das ausgewählte Workout/Training zu ändern (Standard ist glaube ich Rennen), tippt man auf das Icon und wählt sich mit der Wählscheibe das Gewünschte aus.
Das offizielle Video zu S Health auf der Gear S3 zeigt das sehr schön: https://www.youtube.com/watch?v=Aq7VnEgKPkU&feature=youtu.be&t=52 (ab 0:52).
Das Raster in der Smartphone-App ist ab 1:39 zu sehen.
[…] um eine „digitale Lünette“ und keine Physische, wie noch bei der Galaxy Watch oder Gear S3. Der Rand ist jetzt eine einzige […]