Technologiekonzerne in der Kritik: schlechte Arbeitsbedingungen sind empörend, hohe Preise skandalös [Kommentar]

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In den vergangenen Wochen stieß der interessierte Blog- und Zeitungsleser immer wieder auf Meldungen wie diese: Chinesische Studenten, die auf Druck der chinesischen Behörden zu Zwangsarbeit bei Foxconn abkommandiert wurden. Anstatt Jura und Anglistik, hieß es plötzlich das neue iPhone zusammenschrauben. 12 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche und am Ende kamen dabei weniger als 200 Euro heraus. Bei Samsung sieht es nicht anders aus, nur dass es hier chinesische Schüler sind, die von ihren Lehrern zur Arbeit in den Fabrikhallen Samsungs gezwungen werden. Unerwähnt blieb in den großen Medien dagegen beispielsweise der Bericht der Fair Labor Association, der bestätigt, dass ein in der Vergangenheit von Apple und Foxconn erarbeiteter Plan zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Fabriken von Foxconn umgesetzt wurde und sich bereits deutliche Fortschritte erkennen lassen.

Futter für die Empörten

Die Erklärung für die Dominanz von Negativschlagzeilen in den Blogs, Magazinen und Zeitungen unserer Republik ist einfach: sie liefern Futter für die Empörten, für die Gutmenschen dieser Nation. Ein Artikel über die schlechten Arbeitsbedingungen bei Apple zieht garantiert all diejenigen Leser an, die schon immer wussten, dass Apple direkt aus den Gesteinen der Hölle gemeißelt wurde, während sich am anderen Pol des Meinungsspektrums diejenigen zur Verteidigung von Apple formieren, die in der Firma aus Cupertino so etwas wie den Erzengel in Form eines Apfels sehen. Der Artikel über die Kinderarbeit bei Samsung wirkt vice versa. Und der Artikel darüber, dass etwas besser geworden ist? Der wirkt gar nicht, denn er ist weder kontrovers, noch lässt er Raum für Empörung. Deshalb verzichtet man lieber ganz auf ihn.

Natürlich ist das kein Phänomen, das nur Technologiekonzerne betrifft. Wer in den vergangenen Monaten nur ab und an die Zeitung aufgeschlagen oder den Fernseher eingeschaltet hat, der weiß, wie böse H&M, Zalando, Amazon, GLS, ALDI oder KIK sind. Dabei dreht es sich immer um die gleichen Themen: schlechte Bezahlung, Überstunden, ein vergiftetes Arbeitsklima, Mitarbeiter am Rande des Selbstmords. In diesem Moment beginnt man sich mit den Arbeitern zu solidarisieren, man entwickelt ein gewisses Mitgefühl, man empört sich und trägt diese Empörung nach außen, man will es die bösen Großkonzerne spüren lassen, was man von ihnen denkt – ganz nach dem Motto: “Mit uns nicht!” Ja, man fühlt sich ganz einfach schlecht, weil man selbst tagtäglich Kunde dieser Unternehmen ist.

Bereits nach wenigen Tagen, oft schon nach einem Tag, ebbt die Welle der Empörung dann wieder ab. Alltag kehrt ein.

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“Ein High-End-Tablet für 199 Euro bitte, und dazu noch ein Smartphone geschenkt!”

Der Alltag kehrt deshalb so schnell wieder ein, weil sich der geneigte Gutmensch nur so lange affektiert, solange es für ihn mit keinen Mehrkosten einhergeht – ja, empören ist kostenlos. Sobald es dann aber um den Kauf eines neuen Fernsehers, Smartphones oder Tablets geht, sind mit einem Mal die Sorgen um die schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken der Hersteller wie weggeblasen. Dann zählt nur noch eines: billig muss es sein! Nun sorgt ein anderer Punkt für die Empörung: zu hohe Preise.

Eindrucksvoll lässt sich das beobachten, wenn Firmen wie HTC, Samsung oder Nokia mal wieder ein neues Produkt vorstellen. Das neue Nokia Lumia für über 500 Euro, das neue Windows-Tablet von Samsung für über 600 Euro? Die spinnen doch! Mehr als 250 Euro ist das doch niemals wert, wird doch sowieso alles in China zusammengeschraubt! Wäre das Leben ein Comic, würde nun in Leuchtschrift “Doppelmoral” über den Köpfen der Menschen erscheinen. Das Leben ist aber kein Comic und deshalb müssen nun die Hersteller schauen, wie sie die Produktionskosten weiter senken können. Das darf aber nicht auf Kosten der Qualität gehen, denn ansonsten ist die nächste Welle der Empörung vorprogrammiert, nämlich dann, wenn Erna M. nach vier Jahren feststellt, dass ihr 270 Euro teurer 37″-LCD-TV den Geist aufgegeben hat. Früher hätte es das nicht gegeben, da hielt ein Röhrenfernseher noch 15 Jahre und war “Made in Germany”. Ja, früher…

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“Made in the USA” – Googles Experiment

Als Google die hauseigene Streaming-Kugel Nexus Q der Öffentlichkeit präsentiert hat, startete der US-Konzern gleichzeitig ein Experiment. Es heißt “Made in the USA”. Ja, der Nexus Q soll in den USA produziert werden, von amerikanischen Arbeitern. Auf diese Weise werden nicht nur amerikanische Arbeitsplätze gesichert beziehungsweise geschaffen, sondern auch verhindert, dass dem Nexus Q das Etikett “Zwangsarbeit” oder “Kinderarbeit” anhaftet. Toll, oder?

Nicht wirklich. Ein kurzer Blick in die Blog-, Twitter- und Facebook-Landschaft am Tag der Präsentation machte deutlich, dass die Menschen vor allem der Preis interessiert und der erscheint mit 300 US-Dollar den meisten viel zu hoch. Fragt man nach, versteht natürlich jeder, dass der Preis nur deshalb so hoch ist, weil der Nexus Q in den USA gefertigt wird und natürlich findet das grundsätzlich auch jeder toll und richtig. Nur bezahlen möchte den “Made in the USA”-Zuschlag am Ende dann doch kaum jemand.

Die ganz Großen als Vorbilder?

Egal, ob es gegen Apple, Samsung oder wen auch immer geht, irgendjemand bringt dann immer das Argument, dass gerade die großen und erfolgreichen Unternehmen auf Grund der Aufmerksamkeit, die sie erzeugen, Vorbilder sein sollten (ich muss dann immer an diese Szene aus “The Simpsons” denken). Und das ist auch richtig. Es ist ethisch richtig, moralisch richtig, menschlich richtig – aber eben nicht aus ökonomischer Sicht. Für Google, Apple, Samsung, Amazon und alle anderen spielt am Ende des Tages nur der Profit eine Rolle, denn dieser hält die Konzerne am Leben und auch deren Beschäftigte. Google hat nicht ohne Grund ein Nischenprodukt, wie den Nexus Q, für seinen Feldversuch ausgewählt. Man wusste schon vorher, dass der Preis ein Problem sein wird. Der Nexus Q und sein “Made in the USA”-Tag haben lediglich symbolische Bedeutung. Die wirklich wichtigen und verkaufsstarken Produkte werden weiterhin in Billiglohnländern gefertigt, ansonsten könnte ein Nexus7 nur schwerlich für 200 Euro angeboten werden. Selbiges gilt für das Kindle Fire von Amazon. Und wer hätte schon ein Google Nexus7 für 400 Euro bestellt?

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Des Rätsels Lösung?

Es gibt mit Sicherheit kein Patentrezept (ansonsten stünden Apple und Samsung deswegen bestimmt schon vor Gericht). Auf Missstände hinzuweisen ist und bleibt wichtig, allerdings sollte dies nicht auf Kosten einzelner Konzerne geschehen. Die scheinheilige Empörung über die schlechten Arbeitsbedingungen bei Firma X und die noch scheinheiligere Ankündigung künftige keine Produkte der Firma mehr zu kaufen, helfen keinem weiter. Produkte, egal welcher Art, sollen in den Augen der meisten Verbraucher gut und günstig billig sein. Das ist verständlich. Aber man kann eben nicht alles haben. Ein Tablet für 200 Euro lässt sich nicht mit dem wohligen Gefühl vereinbaren, nicht in irgendeiner Form schlechte Arbeitsbedingungen unterstützt zu haben – dafür die konkurrierende Firma X an den Pranger zu stellen, macht die eigene Handlung nicht besser.

Ohnehin darf in einer solchen Diskussion nicht vergessen werden, dass ohne die Produktionsstätten der westlichen Großkonzerne, viele Menschen in den so genannten Billiglohnländern überhaupt keine Arbeit hätten. Auch wenn die Arbeitsbedingungen größtenteils nicht dem entsprechen, was wir in Deutschland als Standard ansehen, so geht es vielen Menschen besser als zuvor. Eine neue Mittelschicht wächst heran, die Länder entwickeln sich wirtschaftlich weiter. Das ist keine Entschuldigung für Kinder- und Zwangsarbeit, aber man muss, wie bereits erwähnt, stets das große Ganze im Blick behalten, den allmählichen Wandel, der sich nicht von heute auf morgen vollzieht.

Weder Apple, noch Google oder Amazon werden plötzlich die Arbeitsbedingungen in ihren Produktionsstätten im Ausland über den eigenen Profit stellen, nicht solange andere Unternehmen nicht dasselbe tun (wer ein Beispiel aus der Politik möchte, kann sich ja mal die Debatte rund um das Kyoto-Protokoll anschauen). Empörte Boykottaufrufe bewirken mit unter überhaupt nichts, da am Ende doch alles unter den selben Bedingungen gefertigt wird. Und mit irgendwas muss man ja im Internet surfen und die neue Blu-ray anschauen.

Der Autor bei Twitter und Google+

Grafik via 1 / 2 CC by lonecellotheory

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Jahrgang 1986. Blogger & Journalist. Politologe & Anglist. Technik & Kaffee.

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Mäc
11 Jahre zuvor

“Der Autor bei Twitter und Google+” – damit man weiß, wie man dich für die Verleihung des Literaturnobelpreises kontaktieren kann? Oder für den Friedensnobelpreis? Bei einem absolut atemberaubenden Artikel wie diesem hier, sollte das wohl das mindeste sein!

Joe
11 Jahre zuvor

Das Problem liegt sowohl an fehlenden arbeitsrechtlichen Vorschriften in Produktionsländern wie China als auch bei den Konzernen selbst. Hier stellt sich dann die Frage, was die Konzerne tun können/müssen. Nur weil die MÖGLICHKEIT besteht, durch Ausbeutung die Fertigungskosten weiter zu senken, heißt das nicht, dass ein globalisiertes Unternehmen diesen Weg auch einschlagen muss, um erfolgreich zu sein. Vor allem aufgrund des Aspekts, dass Corporate Responsibility immer weiter an Bedeutung gewinnt und Reputationsschäden durch Negativschlagzeilen doch recht hoch sein können. Man denke nur daran, wie stark das Umweltbewusstsein in den letzten Jahren zugenommen hat. Unternehmen (auch Apple) werben mit “grünen Produkten”, umweltschonenden Produktionsverfahren und nachhaltigen Materialien. Gewinnt das Bewusstsein der Verbraucher im Bezug auf Arbeitsbedingungen weiter an Bedeutung, wird sich wohl auch hier ein Wandel in der Denkweise der Unternehmen abzeichnen.

Was ich in deinem Artikel vermisse, ist folgender Aspekt:
Der wesentliche Unterschied zwischen Apple und z.B. KIK besteht darin, dass KIK im Billigpreissegment verkauft, Apple allerdings im Hochpreissegment. Ich schätze, dass die Gewinnmarge bei Apple pro verkauftem Produkt wesentlich höher ist als z.B. bei KIK, trotz hoher Kosten bei F&E. Ich möchte KIK nicht als heiliges Unternehmen darstellen, dass den armen Menschen in der westlichen Welt günstig Kleidung zu Verfügung stellt und Apple als den Bösen, der ausbeutet, um seinen Vorsprung als wertvollstes Unternehmen der Welt weiter auszubauen. Allerdings hat man als gut verdienender Europäer die Möglichkeit, bei seinen Jeans auf andere (teurere) Marken umzusteigen, bei Consumer Electronics bilden die Preise von Apple wohl die Obergrenze…

Matthias
11 Jahre zuvor

Sicherlich geht es einem Unternehmen um den Profit. Dennoch sind Apple Produkte keineswegs billig. Das heißt: Apple würde seinen Profit marginal reduzieren, dabei seinen Kunden aber ein Produkt verkaufen, das moralisch weniger Schwachstellen ausweist. Das macht nicht nur einige Kunden zufriedener, sondern setzt auch Trends für andere Unternehmen. Beispielsweise bei Energie, Kaffee und anderen Lebensmitteln haben sich auch preislich höhere Produkte durchgesetzt, die im Gegenzug moralische Defizite (Atomstrom, zu geringer Erwerb, Umweltschaden) ausmerzen. Mit Apple trifft es also durchaus nicht den Falschen.

Amüsant finde ich immer den Begriff “Gutmensch”. Im Umkehrschluss bedeutet das: Lieber eine Welt mit “Schechtmenschen”?

Ruben
11 Jahre zuvor

Guter Artikel Frank… hast du vollkommen recht – diese Doppelmoral hat man überall. Bei der Elektronik, beim fiesen Gammelfleisch (aber ja kein Kilopreis über 5 € und das vom Metzger vor Ort… ist klar), Textilien… was auch immer… was man daraus macht, das ist jedem selbst überlassen.

nmSteven
10 Jahre zuvor

Seid wann baut HTC Geräte in China ? Bitte mal korrigieren hatte noch nie ein HTC was nicht in einer der HTC eigenen Fabriken aus Taiwan kommt. Das HTC in eigenen Fabriken Herstellt und man eigentlich nie was über schlechte Arbeitsbedingungen hört ist mit ein Grund warum ich da kaufe.

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