Zur IFA 2017, also vor etwas über fünf Jahren, kam ich zum ersten Mal in den Genuss der damals brandneuen Xelento Wireless von beyerdynamic – die zweite Generation wurde jetzt mit einem Nackenband ausgestattet und bleibt ein Produkt für Audiophile, die für ihr Hobby auch tief in die Tasche zu greifen bereit sind.
Der Preis ist um ein Vielfaches weit von Standard-Nackenband-In-Ears (z.B. von Sony) und auch von den kostspieligeren TWS-Kopfhörern (im Bereich von 300-450 €) entfernt. Die zweifelsohne hervorragenden Shure Aonic 4 im Drahtlos-Bundle z.B. sind schon nicht für jeden etwas, aber kosten immer noch weniger als die Hälfte der Xelento Wireless (2nd Gen).
Damit muss man bei so einem außergewöhnlichen Produkt einfach beginnen, um klar zu machen, dass dies ein Nischenprodukt ist, dass nur einen Bruchteil unserer Leserschaft jemals zu hören bekommt und dann auch für so wertvoll erachtet, um sie für den täglichen Musikgenuss einzusetzen.
Die Crux mit Bluetooth
Die Xelento Wireless 2nd Gen sind in ihrer Form Nackenbügelkopfhörer. Das bedeutet, dass das “wireless” im Namen sich darauf bezieht, dass sie mittels Bluetooth an ein Abspielgerät gekoppelt werden können. Es sind keine TWS (True Wireless Stereo)-Kopfhörer.
Sie unterstützen aktuelle Hi-Res-Codecs via Bluetooth 5.2: LHDC, Qualcomm aptX HD & aptX Adaptive. Dennoch bleibt der Übertragungsweg der Flaschenhals bei der ganzen Angelegenheit und das ist auch beyerdynamic bewusst. Sie versuchen hier den Spagat zwischen moderner Zweckmäßigkeit und hochauflösendem Musikgenuss und legen daher auch ein 3,5-mm-Kabel bei. So können die Xelento der 2. Generation auch kabelgebunden an einem Abspielgerät mit 3,5-mm-Buchse betrieben werden.
Die Zahl der Smartphones mit audiophilen Konsumenten im Hinterkopf ist allerdings inzwischen stark eingeschränkt. Mit LG ist einer der größten Verfechter von qualitativ hochwertigen Audiokomponenten und hochohmigem Kopfhörer-Ausgang verloren gegangen. Dann wäre da noch Huawei, die mit dem Mate 10 (Pro) das erste Smartphone mit LHDC-Unterstützung präsentierten, doch jetzt nicht gut dastehen. So muss der geneigte Musikliebhaber, der verlustfreie Musik geniessen will, zu spezialisierten portablen Hi-Res-Playern greifen, die z.B. von Sony (Walkman) oder chinesischen Herstellern wie iBasso und Fiio, oder den Südkoreanern Astell & Kern stammen, von denen Du, wenn Du Dich nicht in dieser Audiowelt bewegst, evtl. noch nie gehört hast.
LHDC sprechen derzeit hauptsächlich Xiaomi/Redmi-Smartphones seit dem Xiaomi Mi 9 Pro/Redmi K30 Pro (siehe Xiaomi 12 Bluetooth-Einstellungen oben). Daneben einige Oppos und die Pocos seit dem F2 Pro. Wahrscheinlicher ist es also, dass ihr mit aptX (Android) oder AAC (iOS) vorlieb nehmen müsst.
Die Preise für diese Player sind wie so oft bei Audiohardware nach oben hin fast offen und immer recht sportlich. Mein eigener Surfans F20 ist mit seinen derzeit ca. 130 € (ohne Kopfhörer) eher ein Einsteigergerät. Hier im Test muss sich die kabelgebundene Variante der Xelento Wireless 2nd Generation gegen die sehr viel günstigeren Surfans SE01 schlagen.
Die Frage ist am Ende also die: Warum “wireless” kaufen, wenn man dann doch das Kabel nutzt? Nun Du erhältst mit den Xelento Wireless natürlich auch die Tesla.11-Treiber, die Ohrpassstücke (sieben aus Silikon, drei aus Memory-Schaum von Comfy) und Ersatzteile, die den günstigeren Kopfhörern natürlich oft in dem Umfang fehlen. Soll heissen: Die Xelento Wireless der 2. Generation klingen schon ohne Hi-Res-Audioquelle und “nur” mit AAC oder aptX besser, als andere Wireless-In-Ears.
Persönlich angepasst dank Hörprofil von Mimi Hearing
Wie schon bei den Amiron wireless, Aventho wireless, Lagoon ANC, Blue Byrd (2nd Gen) und dem Vorgängermodell, können die neuen Xelento wireless mit einem Hörprofil an die tatsächliche Hörfähigkeit des Nutzers angepasst werden. Dazu wurde der zweiminütige Hörtest von Mimi in die eigene MIY App integriert und lässt sich dort stufenlos zuschalten.
Das Ganze funktioniert, wie bei Apple, die mit eigenen Apple- und Beats-Kopfhörern ein Audiogramm in den Kopfhöreranpassungen der Bedienungshilfen erstellen und nutzen können. Bei beyerdynamic funktioniert das Ganze dank der separaten App systemübergreifend und – bei vorheriger Aktivierung und Festlegung der Stärke – auch wenn sie mit einem Player ohne Apps verbunden sind.
Fazit
Die Xelento wireless sind einfach die besten In-Ears (mit Kabel oder Ohne), die ich hier bisher vorstellen durfte und sie werden es auch vermutlich bleiben. Klanglich kommt hier kein AirPod, QuietComfort Earbud oder Beoplay EX mit. Bässe, Höhen, Mitten alle klar und super getrennt ohne irgendwo abzubrechen oder auszuufern. Neben den typischen klassischen Musikstücken, höre ich auch ganz gern die Pentatonix, um zu hören wie Kopfhörer gerade die Wechsel aus Bass und Treble umsetzen bzw. mit ihnen klarkommen.
“Aha” (von Imogen Heap im Original) ist hier u.a. zu empfehlen. Mit Avis Kontrabass und Mitchs Tenor bekommen die Xelento wireless was tun, aber mehr als ein tonales Schulterzucken braucht man von ihnen nicht zu erwarten. Wenn ihr also mal eure eigenen Kopfhörer etwas extremerer Musik im Sinne von abgedeckten Frequenzbereichen belasten wollt und nicht nur am Lowend mit Bass House eure Trommelfelle massiert, streamt euch Pentatonix ins Ohr.
Abgesehen von der Klangqualität treibt ein weiterer Faktor den Preis in die Höhe: Die Xelento wireless (2. Generation) werden in Deutschland handgefertigt, wobei nur vergoldete Stecker und versilberte Kabel zum Einsatz kommen.
Im Vergleich zu den sehr viel günstigeren und oft absichtlich basslastigen In-Ears z.B. von Surfans sind die neuen Xelento wireless einfach unfassbar klar und ausgeglichen und der 11-mm-Treiber kommt nie so richtig ins Schwitzen. Sie können im Kabelbetrieb deutlich lauter werden als via Bluetooth, da hier natürlich der Player direkt den Strom liefert und nicht die Sende- und Empfangseinheit mit einem kleinen Akku im Nacken.
Die Sound-Anpassung mit Audiogramm über die App, nutze ich immer sehr gern – auch schon bei den Amiron und Aventho ist das Klangprofil stets aktiviert. Meine Ohren sind leider nicht die Besten und bedanken sich für jede klangliche Unterstützung, die man hier auch wirklich hört. Dank des Sliders in der App, kann man die Veränderung in beliebiger Stärke hinzufügen und hört dann sehr deutlich, wie sich der Klang verbessert. Wenn man hier keinen Unterschied wahrnimmt, sind entweder die Ohren sehr gut, oder der Hörtest sollte wiederholt werden 😉
Die Xelento haben kein aktives ANC, unterdrücken aber, bei der Wahl der richtigen Aufsätze, Umgebugsgeräusche passiv, wie das bei In-Ears halt so ist. Bei dem Preis ist die Auswahl der Silikon- und Schaum-Aufsätze angemessen. Ich fahre immer gut mit zwei unterschiedlichen Stöpseln. Links muss es bei mir eine Nummer kleiner sein, als rechts.
Die ebenfalls erhältlichen Xelento Remote (2nd Gen) für 999 € (UVP) sind im Grunde das selbe Produkt, was die eigentlichen Ohrhörer angeht, nur dass statt dem Wireless-Modul für den Nacken ein symmetrisches (balanced) 4,4-mm-Kabel für störungsfreie Stereo-Übertragungen (fünfpolig, Pentaconn) beiliegt, wie man sie bei hochpreisigen portablen Hi-Res-Audio-Playern oder stationären Hi-Fi-Komponenten findet.
Exkurs: Über die 4,4-mm-Verbindung werden der linke und der rechte Kanal separiert übertragen, wie z.B. auch durch zwei (mini-)XLR-Kabel und die jeweils zweite Ader pro Kanal im Kabel überträgt das Nutzsignal umgekehrt polarisiert, wodurch sich Störsignale auslöschen. Unsymmetrische Verbindungen sind störungsanfälliger und je länger das Kabel, desto stärker treten die Störungen zu Tage. Dafür sind sie durch die fehlenden Adern natürlich günstiger.
Technische Daten
- Akustische Bauweise: Geschlossen
- Übertragungsart: Kabellos über Bluetooth und kabelgebunden (3,5 mm, vierpolig mit CTIA-Belegung)
- Fernbedienung: Universale 3-Knopf-Fernbedienung
- Nennimpedanz: 16 Ohm
- Akkulaufzeit: Bis zu 14 Stunden
- Übertragungsbereich: 10 – 50.000 Hz
- Kennschalldruckpegel: 114 dB SPL @ 1 mW
- Unterstützte Bluetooth-Profile: Hi-Res Audio, Hi-Res-Audio Wireless, Apple MFi, Amazon Alexa built-in, Google Fast Pair
- Bluetooth-Version: Version 5.2
- Audio-Codecs: LHDC, Qualcomm aptX HD, aptX Adaptive, aptX, AAC, SBC
- Baugrösse: Im-Ohr-Kopfhörer
- Kabel & Stecker: Steckbar am Ohrhörer (MMCX) & versilbert
Es liegen neben den Kabeln und Nubsis zwei Kabelclips, zwei Ersatzschutzgitter für die Lautsprecher und ein Tuch bei. Abgerundet wird das Paket durch ein schickes Kunstlederetui im Wert von 42 € für stilsichere Aufbewahrung und Transport. Alles kann bei Verlust oder Verschleiss separat nachgekauft werden.
Verfügbarkeit und Preis
Die beyerdynamic Xelento Wireless 2nd Generation sind im Handel und direkt bei beyerdynamic für 1.199 € (UVP) erhältlich.
weiterführender Link: beyerdynamic-Produktseite
- Die Juwelen unter den In-Ear-Kopfhörern neu aufgelegt: beyerdynamic Xelento Wireless 2nd Generation im Test - 2. November 2022
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